Näher an die Toleranzgrenzen

Näher an die Toleranzgrenzen

Wie sieht die Qualitätsregelung der Zukunft aus?

Ein Wissenschaftsmagazin bezeichnete Prof. Gisela Lanza einst als die 120%-Frau, weil sie vier Jahre lang gleichzeitig als erste Inhaberin der Shared Professorship Global Production Engineering and Quality am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und für den Automobilkonzern Daimler arbeitete. Doch wie beurteilt eine Expertin für weltweite Produktionssysteme die neue Rolle der Messtechnik für die QS unter dem Blickwinkel von Industrie 4.0 und IIot (Industrial Internet of Things)?

„Eine 100%-Prüfung verändert die Qualitätsregelung radikal, denn wir können nun sehr viel näher an die Toleranzgrenzen herangehen.“ – Gisela, Lanza, Karlsruher Institut für Technologie (KIT) (Bild: Karlsruher Institut für Technologie (KIT))

Wie beeinflusst Industrie 4.0 die QS und die Messtechnik?

Gisela Lanza: Durch die immer mehr an Bedeutung gewinnende Sensorik werden wir sicherlich sehr viel mehr Messdaten sammeln können und so komplexe Zusammenhänge besser erkennen. Ich wage sogar die Hypothese, dass wir künftig 100% aller wichtigen Messwerte aufnehmen. 100%-Prüfung heißt: Qualitätsdaten – also alle kritischen Kennwerte – werden nicht mehr stichprobenartig, sondern zu 100% erfasst. Das verändert die Qualitätsregelung radikal, denn wir können nun sehr viel näher an die Toleranzgrenzen herangehen.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Qualitätsregelung der Zukunft aus?

Lanza: Ich setze auf intelligente, adaptive Qualitätsregelstrategien. Ein Beispiel hierfür kann eine Wiederbelebung von Pairing-Strategien sein, die Produktionsleute aufgrund des komplizierten mathematischen Ansatzes und des logistischen Aufwandes oft hassen. Dabei kommen Bauteile mit unterschiedlichen Qualitätsmerkmalen paarweise zum Einsatz, um Funktionen der Baugruppe mit sehr hohen Toleranzanforderungen gemeinsam zu erfüllen. Pairing-Strategien bieten sich an, wenn nicht mehr jedes produzierte Bauteil die geforderten Toleranzen erfüllen kann. Ein Beispiel dafür sind die Einspritzdüsen von Motoren, die mit einem Betriebsdruck von zukünftig bis zu 3.000bar arbeiten müssen. Der konsequente Einsatz von Inline-Messtechnik ermöglicht dabei noch intelligentere, bauteilindividuelle Paarungen in Kombination mit der dynamischen Anpassung von Fertigungsparametern, die vielfältige neue Möglichkeiten eröffnen.

Seiten: 1 2 3Auf einer Seite lesen

Themen:

| Fachartikel

Ausgabe:

inVISION 2 2017
Karlsruher Institut für Technologie

Das könnte Sie auch Interessieren