Fokusvariable Linsen

Fokusvariable Linsen

Telezentrische Objektive mit variablem Arbeitsabstand

In vielen Prüfanwendungen muss man sich mit den Themen Schärfentiefe und variablen Arbeitsabständen auseinandersetzten. Beispiele dafür sind Packetsortierung, Prüfung von Mobiltelefon- und Tabletgehäusen sowie Displays und PCBs, wo eine stark vergrößernde Optik über weite Strecken verschoben wird. Telezentrische Objektive mit fokusvariablen Linsen erlauben es, innerhalb von Millisekunden zuverlässig, reproduzierbar und ohne Bewegung von Kamera oder Objekt große Fokussierbereiche abzudecken.

Arbeitsabstand (oben) sowie Vergr??erung (unten) ?ndern sich linear mit Brechwert der variablen Linse (theoretische Werte). (Bilder: Sill Optics GmbH)

Arbeitsabstand (oben) sowie Vergrößerung (unten) ändern sich linear mit Brechwert der variablen Linse (theoretische Werte). (Bilder: Sill Optics GmbH)

Ein Vorteil objektseitig telezentrischer Objektive ist die Tatsache, dass man den gesamten Schärfentiefebereich für eine exakte Messung unterschiedlich hoher Objekte nutzen kann. Der Abbildungsmaßstab bleibt gleich, nur die verringerte Auflösung bei Defokussierung schränkt Messungen in unterschiedlichen Entfernungen ein. Die Schärfentiefe eines telezentrischen Objektivs hängt von den Faktoren Abbildungsmaßstab, Blendenöffnung und benötigter Auflösung ab. Speziell bei vergrößernden Objektiven mit hoher Auflöung reduzieren diese Parameter die nutzbare Tiefe, da eine große Blendenöffnung für eine ausreichende Abbildungsleistung erforderlich ist. Neben der flexiblen und schnellen Fokussierung unterschiedlich weit entfernter Objekte bietet eine fokusvariable Linse im telezentrischen Objektiv den Vorteil, dass bei verschiedensten Vergrößerungen vergleichsweise große Schärfentiefebereiche erreicht werden. Der große Schärfentiefebereich wird über einen z-Scan ermöglicht, der elektronisch ansteuerbar ist. Die verwendete fokusvariable Linse EL-16-40-TC bietet einen Einstellbereich der optischen Brechkraft von -3 bis +3.5 Dioptrien an. Dieser lässt sich entweder als Sprung innert in 20ms ändern oder mit einer Rampe z.B. innerhalb von 100ms abfahren. Wird dabei ein Stapel von Bildern aufgenommen, lassen sich diese mit einer geeigneten Software zu einem Hyperfokusbild zusammensetzen. Die Fokusinformation kann im Umkehrschluss auch zur Bestimmung von Objektdistanzen verwendet werden.

Integration der Flüssiglinse

Bei der Integration einer Flüssiglinse ist das Optikdesign entscheidend. Die Telezentriebedingung fordert, dass die Aperturblende des Systems auf der Telezentrieseite ins Unendliche abgebildet wird. Bei der Forderung einer objektseitig telezentrischen Abbildung muss die fokusvariable Linse also bildseitig hinter der Blende liegen. Dann ist es allerdings nicht mehr möglich bildseitige Telezentrie zu erreichen. Für ein fokusvariables telezentrisches Objektiv können folgende Designanforderungen gestellt werden:

  • großer Fokussierbereich
  • geringe, lineare Vergrößerungsveränderung über diesen Bereich
  • gleichbleibende Abbildungsleistung über den Gesamtbereich
  • geringe Veränderung der Verzeichnung
  • konstanter Telezentriefehler

Um einem möglichst breiten Anwenderkreis die Möglichkeit zu bieten, die Vorteile eines solchen Systems zu nutzen, wurden in einem ersten Schritt bestehende Objektivdesigns modifiziert. Als Spezialist für Kleinserienfertigung und kundenspezifische Objektive bietet Sill Optics natürlich auch individuelle Objektivdesigns mit fokusvariabler Optik an. Im Folgenden werden am Beispiel eines telezentrischen, zweifach vergrößernden Objektivs und einem 1″-Sensor theoretische Performance und Messergebnisse des Designs mit fokusvariabler Linse dargestellt.

MTF-Simulation des 2fach-Objektivs mit fokusvariabler Linse bei -3.0 dpt (links) und +3.5 dpt (rechts) (Bilder: Sill Optics GmbH)

MTF-Simulation des 2fach-Objektivs mit fokusvariabler Linse bei -3.0 dpt (links) und +3.5 dpt (rechts) (Bilder: Sill Optics GmbH)

Performance gemäß Simulation

Ausgangslage bieten folgende Designparameter bei Nullwirkung der fokusvariablen Linse:

  • Abbildungsmaßstab: 2,0x +/-1%
  • Arbeitsabstand: 106,2mm +/-2%
  • Objektfeldgröße 19,2×25,6mm bei Sensorgröße 9,6×12,8mm (1″-Sensor)
  • Wellenlängenbereich: 450 bis 700nm
  • Objektseitige NA: 0,04 bei mittlerer Blende
  • theoretische. max. Verzeichnung 0,61%
  • theoretischer max. Telezentriefehler 0,01°

Das Objektiv hat in normaler Bauform (feste Fokussierung) eine Schärfentiefe von circa 0,3mm unter Annahme einer Pixelgröße von 77µm und einer NA von 0,04. Der

Messwerte des Arbeitsabstands (oben) bzw. der Vergr??erung (unten) vom Brechwert der variablen Linse. (Bilder: Sill Optics GmbH)

Messwerte des Arbeitsabstands (oben) bzw. der Vergrößerung (unten) vom Brechwert der variablen Linse. (Bilder: Sill Optics GmbH)

Brechwertbereich der EL-16-40-TC von -3,0 bis +3,5dpt erweitert den optimalen Arbeitsabstand von 111,5 bis 99,4mm. Man erreicht also einen maximal möglichen z-Hub von circa 12mm, was einer Erweiterung der Schärfentiefe um einen Faktor 40 entspricht. Aufgrund der beeinflussten Brennweite des Objektivs ergibt sich über den Fokussierbereich eine veränderte Vergrößerung. Die Differenz der Vergrößerung beläuft sich auf plus/minus 3 Prozent des Nennwertes, die Vergrößerung ist linear abhängig von dem eingestellten Brechwert. Über die Kalibrierung des Messsystems kann der Einfluss auf das Messergebnis bereinigt werden. Die Abbildungsleistung des Objektivs ändert sich über den gesamten Fokussierbereich nur geringfügig. Aufgrund der veränderten Brennweite bzw. des veränderten Arbeitsabstandes bei gleicher NA variiert auch die Beugungsgrenze leicht. Für einen kürzeren Arbeitsabstand (+3,5dpt) liegt eine geringfügig höhere Beugungsgrenze vor. Die MTF-Plots sind mit der Blendeneinstellung NA=0,04 berechnet, die eine möglichst homogene Abbildungsqualität über das gesamte Feld bietet. Die Verzeichnung des Gesamtsystems bleibt über den Fokussierbereich gleichgerichtet (positive, kissenförmige Verzeichnung), der Maximalbetrag verändert sich über den gesamten Fokusbereich linear von 0.73 Prozent (bei -3dpt) auf 0.47 Prozent (bei +3.5dpt). über Kalibriermessungen in verschiedenen Entfernungen kann der auftretende Messfehler ausgeglichen werden. Da der Telezentriefehler nicht vom Arbeitsabstand oder der Gesamtbrennweite des Systems abhängt und die Baugruppe von Frontlinse bis Aperturblende, wie bereits beschrieben, gleich bleibt, ist der Telezentriefehler per Definition konstant.

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| Fachartikel

Ausgabe:

inVISION 5 2016
Optotune AG

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